„Ich bin sehr bewegt und beeindruckt. Klar ‚wusste‘ ich vorher auch davon, aber die sinnliche Erfahrbarkeit und Vorstellung von Alternativen macht diese Ausstellung für mich besonders und zum Highlight der KLP. Ganz großes DANKE!“ Leo, Eintrag im Gästebuch der Ausstellung
Die Ausstellung „Gold ohne Glanz?“ feierte ihre Prämiere während der Kulturellen Landpartie 2018 (KLP) auf dem politischen Wunder.R.Punkt KW6, der von der Hofgemeinschaft von Klein Witzeetze 6 organisiert wurde. Die KLP ist ein jährlich stattfindendes Ereignis im Wendland, ca. 150km südlich von Hamburg entfernt, das von Pfingsten bis Himmelfahrt geht und in diesem Jahr zum 29. mal vom 10.05. bis 21.05.2018 stattfand. Es gilt als größtes selbstorganisiertes Kulturfestival Norddeutschlands. Die Ausstellung wurde im Jahr 2018 noch auf der Millerntor Gallery und im Jahr 2019 auf der Altonale, dem Kirchentag und dem Green Screen Filmfestival aufgebaut.
Bei der Ausstellung „Gold ohne Glanz?“ handelte es sich um die bisher größte und aufwendigste Ausstellung der KW6. Insgesamt sieben verschiedene Abspielgeräte (LCD Displays, Beamer-Projektionen und iPads) veranschaulichten die Relevanz des Themas für den deutschen Konsumenten und führten ihn in die Abbaubedingungen der ostafrikanischen Gold-Abbauregionen von Masara, Kenia und Busia, Uganda.
Die Besucher wurden durch einen hellen, weißen Raum mit gläsernen, beleuchteten und hochwertigen Vitrinen geführt. Der große Monitor brachte Bezug zu jedem einzelnen Besucher, Handys und Eheringe wurden als Fokus eingeführt. Hier wirkte der Videoschnitt fast werbeartig, untermalt mit schöner Easy-Listeneng Musik die separat abgespielt wurde, echtes glänzendes Gold in den Vitrinen, schöne Ringe. Doch wer die drei Minuten Filmmaterial ansah, erkannte schon hier den Ernst der Lage, und das es hier um mehr geht, als um schönen Schmuck in den Vitrinen: Das Gold floss aus der Schmelze im Atelier in die Schale, das Bild wechselte abrupt und lässt Quecksilber fließen.
Von dem Eröffnungsraum führte eine offene Tür in den Tunnel. Gerade an den beiden Wochenende hatten wir hier tatsächlich Warteschlangen von Besuchern, die den Abstieg in die Goldmine wagen wollten. Hinein in das Dunkel, in das Kalte, in das Ungewisse. Mit einer Taschenlampe in der Hand hielten die meisten schon an der ersten Installation inne, wo ihnen ein Minenarbeiter aus dem nachgebauten Minenschacht von unten aus der Tiefe direkt in die Augen blickte. Durch den Monitor erlebten die Besucher, wie der Hamburger Goldschmied Jan Spille die engen Gänge entlang kriecht, eine Reise, auf der sie ihn ab jetzt für ca. 20-30 Minuten begleiteten.
„Beeindruckende Ausstellung, danke! Ich wünschte, die Konsument*innen der Einkaufsstraßen dieser Welt könnten sie sehen und ERLEBEN.“ Liebe Grüße, Astrid, Eintrag im Gästebuch der Ausstellung
Der 20 Meter lange, dunkle Tunnel bot Abzweigungen, in denen der Besucher sich intensiv mit den eigentlichen Gefahren unter Tage auseinander setzen konnte. Durch eine Installation mit zwei lebensgroßen Puppen haben wir eine Verschüttung und einen Tod durch Kohlenmonoxid-Vergiftung dargestellt- zwei der häufigsten Todesarten, die nahezu wöchentlich in uns bekannten Regionen passieren. Die Puppen wurden dargestellt, wie die Arbeiter im Videomaterial- ohne Arbeitsschutz, barfuß, ausgestattet lediglich mit einer Kopflampe, Hammer und Meißel. Ein iPad diente der weiteren Information durch O-Töne von Jan Spille unter Tage, einem kenianischen Arzt und einem kenianischen Lehrer, die beide in der Goldregion Masara arbeiten und ihre Sicht der Dinge im Interview wiedergeben.
Dem Tunnelgang weiter folgend standen die Besucher vor einer großen Projektionsleinwand. Männer in voller Größe hämmern Gestein aus der Wand, Lärm umgibt den Zuschauer, der plötzlich mitten drin steht. Viele Besucher verharrten hier lange und flüsterten ihren Begleitern zu, wie unheimlich diese Arbeitsbedingungen sind.
„Ich wusste nicht, dass in Handys Gold ist“ oder „So viel Gold wird von der Schmuckindustrie benutzt, ich dachte der Großteil steckt in den Golddevisen“ haben wir mehrfach gehört und somit auch sehr schnelle Handlungsoptionen aufzeigen können. Es hat uns selbst überrascht zu merken, wieviele Menschen geerbte Goldmünzen oder alte Handys in den Schubladen liegen haben und sich nicht bewusst sind, dass wenn diese zurück in den Kreislauf geführt würden, kein weiterer Rohstoffabbau benötigt werden würde.
Aus der Dunkelheit ging es dann durch Goldfolie in den ausgeleuchteten Tagesbereich. Eine Frau mit einer Baby-Puppe auf dem Rücken gebunden, vorgebeugt über die aus Kenia mitgebrachte silberne Waschschüssel, die Füße hingen im Flusswasser, so, wie auf dem Videomaterial im Hintergrund.
Und allen war klar, dass es hier um Quecksilber geht und dass das Baby auf dem Rücken der Mutter keinerlei Schutz vor einem der giftigsten Metalle der Welt erhält und den Dämpfen schutzlos ausgeliefert ist. Ein Kind an der nachgebauten Goldrutsche mit einem Eimer in der Hand deutete wie der Mann mit dem Schrottgewehr die unhaltbaren Zustände im informellen Kleinbergbau in Ostafrika an und wurde durch die Videoaufnahmen und die Geräuschkulisse von den Besuchern nahezu sprachlos und kopfschüttelnd aufgenommen. Ein weiteres iPad gab den Besuchern Hintergrundinformationen von vor Ort über die Gefahren und Auswirkungen von Quecksilber und die nicht vorhandenen transparenten Lieferketten des Rohstoffs.
Die Ausstellung schafft es, den Goldabbau erlebbar und greifbar zu machen und die Menschen mitzunehmen auf die Reise in die Minenrealität. Und wir haben es geschafft, auch alltagstaugliche Handlungsoptionen aufzuzeigen. Insbesondere der Input für Recycling hat die Augen Vieler geöffnet und die gesehenen und erlebten Bilder werden verstärken, dass viele Besucher ihre alten Handys oder Erbstücke zurück in den Kreislauf bringen werden. Jedoch waren auch viele Menschen von der in unserem Konzept integrierten Schmuckausstellung von Jan Spille angetan und haben sich intensiv mit der Thematik des öko- und fair gewonnenen Rohstoffs von Fairtrade oder Fairmined auseinander gesetzt.